17.12.2020

„Die stille Epidemie“ – eine umfassende Studie zu den Gesundheitsgefahren für Juristen

Das Liquid Legal Institute e.V. hat in Projektpartnerschaft mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen e.V. eine groß angelegte Studie gestartet zur psychischen Gesundheitsbelastung von Anwälten! Ziel ist es, eine offene Debatte über ein sehr relevantes Thema zu starten, das weitgehend tabuisiert ist. Gleichzeitig soll die Datengrundlage für weitergehende Untersuchungen und Ursachenforschung gelegt werden.

ESRS: Delegierter Rechtsakt veröffentlicht

©Martin Sinclair

Im Schulterschluss mit dem BUJ e.V., Deutschlands größter Vereinigung von Inhouse-Juristen, und der EuPD GmbH, einem führenden Experten und Berater im Bereich der psychischen Gesundheitsvorsorge in Unternehmen, hat sich das Liquid Legal Institute e.V. zum Ziel gesetzt, für alle Juristen sowie die Kanzleien und Firmen, in denen sie arbeiten, einen Referenzpunkt zu dem Thema zu schaffen.

Die Studie deckt alle Bereiche des sich stark verändernden Rechtsmarkts mit ab, z.B. Inhouse Legal Teams, Kanzleien, Einzelanwälte, aber auch die junge Kategorie der neuen Legal Service Provider und Legal Tech-Unternehmen. Sie bezieht bewusst auch die immer wichtiger werdenden Berufsgruppen ein, die im Rechtsmarkt arbeiten, ohne selbst Anwälte zu sein, um so das gesamte Spektrum abzubilden.

Ein Interview mit den Initiatoren der Studie: dem Vorstand des Liquid Legal Instituts e.V., Dr. Dierk Schindler, Kai Jacob und Bernhard Waltl, sowie Inga Vogt, dem Head of Office des Bundesverbands der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ).

Interview

Redaktion: Herr Schindler, sie haben für das Positionspapier des Instituts zum Thema „Lawyer Well-Being“ den Titel gewählt „Die stille Epidemie“ – warum so drastisch?

Dierk Schindler: In den USA existieren Untersuchungen zur psychischen Gesundheitsbelastung von Anwälten bereits seit 30 Jahren – mit alarmierenden Ergebnissen: Unser Berufsstand ist überrepräsentiert bei stressbedingten Krankheiten, leidet häufiger als andere unter Angstzuständen, Depression, Burnout und sogar Suchterkrankungen. In 2006 war Selbstmord die dritthäufigste Todesursache bei Anwälten, nach Krebs und Herzerkrankungen. Die entscheidende Frage ist damit: Können wir erwarten, dass die Lage in Europa grundsätzlich anders ist? Aus vielen Gesprächen und der Erstbefragung leiten wir ab, dass wir ähnliche Ergebnisse erwarten müssen. Mit dem Titel wollten wir aufrütteln und die Kolleginnen und Kollegen motivieren sich an der Studie zu beteiligen.

Redaktion: Die Transformation im Rechtsmarkt ist ja das große Thema des Liquid Legal Institute e.V. und Sie treiben mit Ihren Mitgliedern eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Projekten voran. Wie hat es das Thema auf die Prioritätenliste geschafft, Herr Jacob?

Kai Jacob: Im Institut agieren wir grundsätzlich getrieben von den Initiativen und Prioritäten der Mitglieder. Ein Thema wird diskutiert, eine Gruppe schärft es zu einem Projekt, eine diverses Projektteam bildet sich und los geht’s! – Es gibt aber immer wieder mal Themen, die wir im Vorstand aufnehmen und für so relevant halten, dass wir sie von uns aus adressieren. So war es beim Thema „Lawyer Well-Being“. Wir haben entschieden das Thema zu priorisieren, sobald wir verstanden hatten, dass es in unserem Berufsstand offenbar noch weitgehend tabuisiert ist. Es steht praktisch nicht auf der öffentlichen Agenda, während es uns in privaten Gesprächen mit Wucht begegnet. Es war Zeit der Sache auf den Grund zu gehen und für unsere Mitglieder einen sichtbaren Referenzpunkt zu schaffen.

Redaktion: Herr Waltl, das Projekt steht beim Institut im Kontext der Digitalisierung. Warum haben Sie diesen Aufhänger für die Studie gewählt?

Bernhard Waltl: Die Digitalisierung ist das brandaktuelle Spannungsfeld, dem die Menschen im Ökosystem ‚Recht‘ ausgesetzt sind. Sie eröffnet große Chancen für den Rechtsmarkt und auch für den Einzelnen, die ja täglich und überall besprochen werden. Wir dürfen aber nicht die Risiken auf den verschiedensten Ebenen vergessen, wie z.B. sozial Isolation, den psychischen, emotionalen und auch wirtschaftlichen Druck. Wir wissen natürlich, dass das Thema „Lawyer Well-Being“ viel breiter und vielschichtiger ist und haben das auch bei Design und Ausgestaltung des Fragebogens berücksichtigt. Ich bin froh, dass das LLI mit all seinen Mitgliedern und den beiden starken Projektpartnern ein solches Thema proaktiv angeht und damit für alle voranbringt.

Redaktion: Frau Vogt, mit der Beteiligung des BUJ setzen Sie ein starkes Signal zur Bedeutung des Themas an sich, aber auch für Ihre Mitglieder. Was hat den BUJ dazu bewogen?

Inga Vogt: Als größte Vertretung von Unternehmensjuristen in Deutschland greifen wir stets aktuelle und brisante Themen auf, die für Inhouse-Counsel von Bedeutung sind und bringen unser Expertenwissen in die gesellschaftliche und politische Debatte ein. Dieser Anspruch an uns selbst, kann nicht nur auf rechtliche Themen beschränkt werden – auch wenn das natürlich unser Schwerpunkt ist.  Das Thema „Lawyer Wellbeing“ ist hochaktuell -auch und gerade für die Inhouse-Juristen.  Dies auch nicht nur durch Corona, seit Jahren setzt der steigende Kostendruck neben den steigenden Ansprüchen an die Rolle von Inhouse-Counsel Reizpunkte. Daher sind wir sehr gerne die Projektpartnerschaft mit dem Liquid Legal Institute eingegangen. Psychische Gesundheitsgefährdung von Anwälten ist ein Thema, über das wir diskutieren müssen. Unsere Mitglieder leisten in den Rechtsabteilungen Unglaubliches. Aber wie geht es Ihnen dabei? Für eine sachgerechte Diskussion benötigen wir zunächst statistische Daten. Ist die Beteiligung des BUJ ein starkes Signal? Ich würde sagen, es ist eine Notwendigkeit, um Licht in dieses Feld zu bringen, welches bisher tabuisiert wird. Das Engagement passt perfekt zur Agenda und zu den Werten des BUJ.

 

Weiterführende Informationen

Unterstützen Sie die Studie durch Ihre Teilnahme an der anonymen Befragung, die Sie auf der Website des Liquid Legal Institute e.V. finden:

https://www.liquid-legal-institute.com/workinggroups/lawyer-well-being/

Die Befragung erfolgt online und wird anonym und unter Nutzung der professionellen Tools der EuPD GmbH durchgeführt, um Qualität, Datensicherheit und Datenschutz zu gewährleisten.

 

Über das Liquid Legal Institute e.V.

Der Liquid Legal Institute e.V. ist ein eingetragener Verein mit Sitz in München. Satzungsmäßiger Zweck des Vereins ist die Erforschung und Förderung von neuem Denken sowie von Technologien und sonstigen Innovationen im „Ökosystem Recht“, d.h. der sogenannten Legal Transformation. Seine Mitglieder gehören unterschiedlichen Interessengruppen an, insbesondere Wirtschaftsunternehmen, Rechtsanwaltssozietäten, Legal Tech Start-ups sowie Einzelpersonen. Weitere Informationen über uns und was uns antreibt unter  www.liquid-legal-institute.org

 

Über den BUJ e.V.

Der BUJ ist die größte Interessensvertretung von Unternehmensjuristen in Deutschland. Mit seinen 32 Fach- und Regionalgruppen ist der BUJ die führende Plattform zum Netzwerken und zur Fortbildung auf höchstem Niveau. Der BUJ nimmt aktuelle Themen aus der Unternehmenspraxis auf und bringt sein Expertenwissen in die soziale und politische Debatte ein. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.buj-verband.de/


Liquid Legal Institute e.V. (November 2020)

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