In den Jahren 1978 bis 2016 vermarktete das Land Baden-Württemberg u.a. Rundholz aus Wäldern, die im Eigentum baden-württembergischer Kommunen oder Privater standen. Diese Vermarktungspraxis war Gegenstand eines beim Bundeskartellamt geführten Kartellverfahrens. 2008 hatte sich das Land Baden-Württemberg mit dem Bundeskartellamt darauf geeinigt, den gebündelten Rundholzverkauf für größere Forstbetriebe einzustellen (Beschluss vom 09.12.2008 – B2-90/01-4). Das 2012 vom Bundeskartellamt wiederaufgenommene Verfahren endete aus formalen Gründen ohne Entscheidung darüber, ob die gebündelte Rundholzvermarktung rechtlich zulässig oder aber kartellrechtswidrig ist (BGH-Beschluss vom 12.06.2018 – KVR 38/17).
Sammelklage-Inkasso von 36 Sägewerken
Im Zusammenhang mit dieser Holzvermarktungspraxis sind beim Landgericht Stuttgart mehrere Verfahren über Ansprüche von 95 Sägewerken anhängig. Die Kläger sind der Auffassung, dass die kartellrechtswidrige Holzvermarktung des Landes für die in der Sägeindustrie tätigen Unternehmen deutlich überhöhte Einkaufspreise zur Folge gehabt habe. Für hieraus entstandene Schäden hafte das Land Baden-Württemberg.
Die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits ist eine GmbH, die ausschließlich zum Führen des hiesigen Verfahrens gegründet wurde. Sie ist Teil eines börsennotierten US-amerikanischen Konzerns, der auf die Prozessfinanzierung spezialisiert ist. Für die Durchsetzung ähnlicher Ansprüche betreffend die Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen gibt es in dem Konzern vergleichbare Gesellschaften. In diesem Fall hat sich die Klägerin Schadensersatzansprüche von insgesamt 36 Betrieben verschiedener Größenordnung im Zusammenhang mit Rundholzbezügen aus Baden-Württemberg in den Jahren 1978 bis 2016 abtreten lassen („Sammelklage-Inkasso“).
Verstoß gegen RDG – Klage abgewiesen
Das LG Stuttgart hat die Klage mit Urteil vom 20.01.2022 abgewiesen (30 O 176/19). Das „Sammelklage-Inkasso“ im Bereich des Kartellrechts sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unzulässig. Die vorliegende Abtretung der Ansprüche von den Sägewerken auf die Klägerin sei deshalb unwirksam. Mithin sei die Klägerin schon gar nicht Inhaberin etwaiger kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche der Sägewerke gegenüber dem beklagten Land geworden und deshalb nicht dazu berechtigt, die vorliegende Klage zu führen.
Das „Sammelklage-Inkasso“ verstoße bei kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen gegen §§ 3, 2 Abs. 1 RDG i.V.m. § 10 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 11 Abs. 1 RDG.
Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des Kartellrechts
Eine Rechtsdienstleistung sei nur dann zulässig, wenn der Dienstleistungserbringer im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen sei und sich seine Tätigkeit im Rahmen der erteilten Inkassobefugnis halte. Er überschreite diese, wenn er im Bereich des Kartellrechts tätig werde. Zwar sei die Klägerin vorliegend als Inkassodienstleisterin im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen. Mit dem vorliegenden Abtretungsmodell und der Sammelklage erbringe die Klägerin im Streitfall aber keine zulässige Inkassodienstleistung. Vielmehr biete sie damit Rechtsdienstleistungen auf dem Gebiet des Kartellrechts an. Sowohl die Rechtsfragen als auch die jeweils zu beurteilenden Sachverhalte seien im Kartellschadensersatzrecht aber wesentlich komplexer als bei einer üblichen Inkassodienstleistung. So seien regelmäßig unter anderem umfassende ökonomische und ökonometrische Feststellungen zum Marktgeschehen auf verschiedenen Märkten und Marktstufen und dem Einfluss des behaupteten Kartells hierauf zu treffen. Damit überschreite die als Inkassodienstleisterin registrierte Klägerin vorliegend die ihr erteilte Rechtsdienstleistungserlaubnis. Mithin verfüge die Klägerin im Streitfall nicht über die erforderliche Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz.
Die Tätigkeit der Klägerin verstoße zudem gegen § 4 des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Im Streitfall bestünden Interessenskonflikte, die die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung ggü. den Sägewerken gefährdeten. Solche Rechtsdienstleistungen seien nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz aber untersagt.