20.01.2023

Gemischt genutzte Immobilien: „BMF-Schreiben zur Aufteilung von Vorsteuern bringt ein höheres Maß an Rechtssicherheit“

Das BMF hat am 20.10.2022 ein Schreiben zur Aufteilung des Vorsteuerschlüssels bei gemischt genutzten Immobilien veröffentlicht. Für Grundstückeigentümer, die ihren Grundbesitz für unternehmerische Zwecke nutzen, stellt sich regelmäßig die Frage, wie Vorsteuerbeträge in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen sind. Wie die neuen Schlüssel zur Berechnung aussehen und was es sonst noch zu beachten gilt, erklärt Dr. Petra Eckl, Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partnerin bei GSK Stockmann im Interview.

ESRS: Delegierter Rechtsakt veröffentlicht

Dr. Petra Eckl

DB: Frau Dr. Eckl, bitte beschreiben Sie kurz, was das BMF in seinem Schreiben zur Aufteilung des Vorsteuerschlüssels bei gemischt genutzten Immobilien geregelt hat.

Eckl: Das BMF hat die existierende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Immobilien zusammengefasst und dazu Stellung genommen, wie bestimmte Fälle aus Sicht der Finanzverwaltung zu behandeln sind. Nach dem EU-Recht soll die Aufteilung der Vorsteuern grundsätzlich nach den Umsätzen erfolgen. Das bedeutet, dass die Aufteilung der Vorsteuern bei einer gemischt genutzten Immobilie davon abhängt, wie viel Mieterträge man pro Nutzungsfläche erhält. Wenn man daher etwa Wohnungen günstiger vermietet als gewerbliche Flächen an umsatzsteuerpflichtige Unternehmen, hätte man bei gleichen Nutzungsflächen für Wohnung und Gewerbe einen höheren Vorsteuerabzug, da die auf die Gewerbeflächen entfallenden Mieten höher sind.

Das EU-Recht sieht allerdings auch eine Öffnungsklausel vor, die es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt, andere Aufteilungsschlüssel vorzusehen. Von dieser Öffnungsklausel hat Deutschland Gebrauch gemacht. Nach der deutschen Regelung soll das Vorgehen nach dem Umsatzschlüssel sogar nur möglich sein, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Diese Abweichung führte mit dazu, dass der Bundesfinanzhof die deutsche Regelung stets einschränkend ausgelegt hat, um der europäischen Rechtslage zu entsprechen. Zudem wurde dann auch darauf abgestellt, ob ein anderer als der Umsatzsteuerschlüssel zu „präziseren“ Ergebnissen führt. Alles in allem gab es viele Unsicherheiten, die nunmehr zumindest teilweise beseitigt wurden.

DB: Das heißt, das BMF hat für mehr Klarheit bei gemischt genutzten Gebäuden gesorgt?

Eckl: Ja, in der Tat wurden nun einige offene Punkte geklärt, sodass ein höheres Maß an Rechtssicherheit besteht.

DB: Wie erfolgt künftig die Aufteilung der Vorsteuern?

Eckl: Zunächst stellt das BMF klar, dass es grundsätzlich in der Hand des Unternehmers liegt, eine sachgerechte Aufteilungsmethode zu wählen. Es muss nicht mehr der präziseste Schlüssel sein. Bei Grundstücken ist der sachgerechte Schlüssel aus der Sicht der Finanzverwaltung bei Immobilien grundsätzlich der Flächenschlüssel, das heißt die Aufteilung nach den vermieteten Quadratmetern. Dabei stellt man auf die vermieteten Gebäudeinnenflächen ab. Außenstellplätze sollen zum Beispiel nicht mitbetrachtet werden.

DB: Wahrscheinlich stellen sich hier in der Praxis sehr viele Fragen, sobald man die Aufteilung anhand eines konkreten Falles vornehmen will?

Eckl: Ja, das ist wohl wahr. Die Finanzverwaltung hat aber nunmehr nochmals zum Ausdruck gebracht, dass für die Aufteilung nach dem Flächenschlüssel beispielsweise lediglich die Wohn- oder Gewerbeflächen sowie die Lagerflächen in den Kellern oder Speicherräume berücksichtigt werden sollen. Die Allgemeinflächen, wie das Treppenhaus, die Technikräume oder Fahrradabstellplätze, sollen außen vor bleiben. Weicht die Ausstattung der Mietflächen aber erheblich voneinander ab, soll auch der Umsatzschlüssel zur Anwendung gelangen. „Erhebliche“ Unterschiede sollen vorliegen, wenn die Decken und Wände unterschiedlich dick sind oder sich die Höhe des Bauaufwands stark voneinander unterscheidet, was sich unter Umständen auch in unterschiedlichen Mieten wiederspiegelt.

DB: Welche Diskussionen erwarten Sie künftig?

Eckl: Gerade bei Immobilientransaktionen wird es nach wie vor zu Diskussionen kommen, ob der Veräußerer alles korrekt gehandhabt hat oder sich eventuelle Haftungsrisiken für den Erwerber ergeben. Aber das BMF-Schreiben enthält zumindest einige konkrete Beispiele, so dass es künftig ein paar Eckpfeiler gibt, an denen sich die Immobilienwirtschaft orientieren kann. Zum Beispiel soll ein luxuriöser Ausbau der Räume oder auch ein Ausbau der Traglast sowie der Einbau eines Schwimmbads in einem Gebäudeteil zur Anwendbarkeit des Umsatzschlüssels führen. Immerhin wird klargestellt, dass eine unterschiedlichen Anzahl von Strom- oder Wasseranschlüssen oder der Einbau deckenhoher Ganzglastürelemente kein Kriterium für die Anwendung des Umsatzschlüssels ist. In diesen Fällen kann man beim Flächenschlüssel bleiben.

DB: Dann rankt sich am Ende alles um die Frage, ob der Flächenschlüssel oder der Umsatzschlüssel zur Anwendung gelangt?

Eckl: Nein, nicht ganz, denn den Ausführungen des Finanzamts zufolge kann auch ein anderer geeigneter Schlüssel angewendet werden. Die Finanzverwaltung stellt es den Steuerpflichtigen bei erheblichen Abweichungen der Geschosshöhe zum Beispiel auch frei, die Vorsteuern nach dem umbauten Raum aufzuteilen, wenn die Ausstattung der Räume nicht allzu sehr voneinander abweicht.

DB: Gestritten wurde früher auch regelmäßig über die auf dem Dach montierte Photovoltaikanlage. Wie sieht es hier aus?

Eckl: Das ist nach wie vor ein Thema, das man sich stets genauer anschauen muss. Das BMF-Schreiben enthält einige Ausführungen zu Photovoltaikanlagen, aber es bleiben Fragen offen. Wenn eine Photovoltaikanlage das Gebäude nicht „erheblich prägt“, soll dies nicht dazu führen, dass auf das gesamte Gebäude der Umsatzschlüssel zur Anwendung gelangt. In diesem Falle schlägt die Finanzverwaltung eine zweistufige Prüfung vor, um die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes zutreffend abzubilden. Auf der ersten Prüfungsstufe ist zunächst im Hinblick auf den Anteil für die Dachflächennutzung für die Photovoltaikanlage ein Umsatzschlüssel anzuwenden. Auf der zweiten Stufe sind sodann die für das restliche Gebäude anfallenden Vorsteuern nach den allgemeinen Grundsätzen (meist Flächenschlüssel) aufzuteilen.

DB: Fazit: Das BMF-Schreiben sorgt für etwas mehr Klarheit, aber es ist noch lange nicht alles geklärt…

Eckl: Das ist korrekt. Nach wie vor gibt es Unsicherheiten. Zudem muss man sich auch vor Augen halten, dass das BMF-Schreiben sowie auch alle anderen Regelungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses lediglich die Ansicht der Finanzverwaltung wiedergeben. Im Zweifelsfällen und wenn die Aufteilung der Vorsteuern vom Finanzamt nicht akzeptiert wird, kann man daher immer zu den Finanzgerichten gehen, um die Rechtmäßigkeit der Vorsteueraufteilung im konkreten Fall klären zu lassen.

DB: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

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