21.12.2022

BAG zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

ESRS: Delegierter Rechtsakt veröffentlicht

©PhotoSG/fotolia.com

In dem Streitfall vor dem BAG hatte der Beklagte die Klägerin vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte er an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach.

Arbeitgeber hat keinen Erfolg vor dem BAG

Während das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg (Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20).

Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Auch EuGH hatte sich mit der Verjährung von Urlaubsansprüchen beschäftigt

Das BAG hat damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidung vom 22.09.2022 (C-120/21) umgesetzt. Danach tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmer durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen.

Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.


BAG vom 20.12.2022 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro

Weitere Meldungen


Meldung

©Sashkin/fotolia.com

21.02.2025

Das BAG hat mit seinem aktuellen Urteil eine wichtige Entscheidung zur Sorgfaltspflicht von Rechtsanwälten in Fristsachen getroffen. Demnach genügt es, wenn ein Anwalt die Vermerke in der Handakte überprüft, sofern keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Diese Rechtsprechung stärkt die Rechtssicherheit für Anwälte und Kanzleien.

weiterlesen
Kontrollpflichten eines Rechtsanwalts bei Fristsachen

Meldung

©momius/fotolia.com

11.02.2025

Ein aktuellen Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zeigt, dass Unternehmen für unzureichenden Datenschutz beim Versand von Rechnungen haften können.

weiterlesen
Hackerangriff auf Rechnungen: Wer haftet wirklich?

Meldung

©cienpies/123rf.com

07.02.2025

Der BGH entschied, dass Rechtsanwälte vor der elektronischen Übermittlung sicherstellen müssen, dass die umgewandelte PDF-Datei den vollständigen Inhalt enthält, da eine fehlende Prüfung zur Fristversäumnis und zur Ablehnung der Wiedereinsetzung führen kann.

weiterlesen
beA: Frist verpasst wegen leerer PDF

Meldung

sdecoret/123rf.com

03.02.2025

Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt, dass jeder Achte in Deutschland glaubt, KI könne Anwältinnen und Anwälte in den meisten Fällen ersetzen. Ältere sind eher skeptischer als jüngere Befragte, alle schätzen aber die ständige Verfügbarkeit der KI.

weiterlesen
Wird KI die Anwälte überflüssig machen?

Haben wir Ihr Interesse für die ZURe geweckt?

Sichern Sie sich das ZURe Gratis Paket: 2 Hefte + Datenbank