27.07.2020

Nachholmöglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat sich mit dem elektronischen Rechtsverkehr und der ordnungsgemäßen Klageerhebung im Kündigungsschutzprozess beschäftigt. Es klärt die Anforderungen an eingereichte Dateien und Nachholmöglichkeiten bei Fehlern.

ESRS: Delegierter Rechtsakt veröffentlicht

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Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung bei Gericht eingehen, andernfalls ist die Kündigung rechtswirksam (§§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz). Der Eingang kann mittlerweile auch per elektronischem Rechtsverkehr – einem besonders abgesicherten Verfahren der digitalen Kommunikation mit Gerichten – erfolgen. Allerdings müssen dabei formelle Anforderungen genau beachtet werden. Diese ergeben sich für die Arbeitsgerichtsbarkeit aus § 46c ArbGG  (für die anderen Gerichtsbarkeiten gelten entsprechende Regeln, z.B. § 130a ZPO) in Verbindung mit der für alle Gerichtsbarkeiten bundesweit geltenden Rechtsverordnung ERVV  und den Bekanntmachungen ERVB 2018 und 2019.

Problem: Nicht eingebettete Schriften

Die bei Gericht eingehende Schriftsatzdatei ist u.a. nicht gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG zur Bearbeitung geeignet und damit unwirksam, wenn die PDF-Datei zur ihrer Darstellung Schriftarten (fonts) benötigt, die nicht in der Datei selbst enthalten sind, sondern von dem jeweils darstellenden Rechner bezogen werden müssen (sog. „nicht eingebettete Schriften“). Allerdings kann dieser Fehler geheilt werden, wenn die einreichende Partei unverzüglich nach Hinweis des Gerichts die Klage ordnungsgemäß mittels elektronischen Rechtsverkehrs einreicht. Dies gilt auch dann, wenn der Hinweis des Gerichts nicht unverzüglich erfolgt. Dies hat das Arbeitsgericht Lübeck entschieden (Urteil vom 09.06.2020 – 3 Ca 2203/19).

Nachholmöglichkeiten müssen eingeräumt werden

Der Klägervertreter hatte die Kündigungsschutzklage rechtzeitig über sein besonderes Anwaltspostfach (beA) eingereicht. Sein Schriftsatz enthielt jedoch nicht eingebettete Schriften. Dies fiel zunächst weder dem Gericht noch der Gegenseite auf. Dies änderte sich erst kurz vor dem Kammertermin acht Monate später. Auf den Hinweis des Gerichts hin reichte der Klägervertreter den Klageschriftsatz noch am gleichen Tag erneut per beA ein, diesmal formell ordnungsgemäß. Gleichzeitig versicherte er in einer getrennten Datei die inhaltliche Übereinstimmung der beiden Klageschriftsätze rechtsanwaltlich und eidesstattlich. Damit gilt der später eingereichte Schriftsatz als zum Zeitpunkt der ursprünglichen Klageeinreichung und damit als innerhalb der Dreiwochenfrist eingegangen.

Standardisierungsinteresse ist gerechtfertigt

Das Arbeitsgericht führt zur Begründung aus: Wird ein Schriftsatz im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs beim Arbeitsgericht per PDF-Datei eingereicht, müssen sämtliche dort enthaltene Schriften in der Datei eingebettet sein. Ansonsten ist der Schriftsatz für die Bearbeitung durch das Gericht ungeeignet. Dies ergibt sich aus § 46c Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV i.V.m. Ziff. 1 ERVB 2019.

Für die technischen Anforderungen an die ordnungsgemäße elektronische Einreichung gilt ein objektiver durch die ERVB bestimmter Maßstab. Die Frage der Eignung des elektronischen Dokuments für die Bearbeitung durch das Gericht gemäß § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG hängt nicht von der subjektiven Geeignetheit für die Gerichtsbarkeit oder für die entscheidende Kammer ab. Die ERVB 2019 ist mit der ERVB 2018 vereinbar, da sie die dort geregelte Verbindlichkeit zulässiger Dateiformate bis zum 31.12.2020 nicht unterläuft. Die ERVB 2019 verstößt nicht gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die Einschränkung des Zugangs zu den Gerichten durch das Standardisierungsinteresse gerechtfertigt ist und in § 46c Abs. 6 Satz 2 ArbGG eine niedrigschwellige Möglichkeit für die Parteien existiert, den Formatfehler folgenlos zu korrigieren.

Nachholmöglichkeiten: Was bedeutet „unverzüglich“?

Danach gilt die Klage als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, wenn der Kläger die Klage unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und zudem glaubhaft gemacht hat, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Die Unverzüglichkeit bezieht sich hier allein auf die einreichende Partei. Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht seinerseits unverzüglich seiner Mitteilungspflicht gemäß § 46c Abs. 6 Satz 1 ArbGG nachgekommen ist. Dabei erfüllt die taggleiche Korrektur seitens der einreichenden Partei in jedem Fall die Voraussetzung der Unverzüglichkeit. Für die Glaubhaftmachung ist ein separates ordnungsgemäß eingereichtes Dokument (PDF-Datei, durchsuchbar, mit eingebetteten Schriften) sowie eine anwaltliche Versicherung in Bezug auf die Identität ausreichend.


(LAG Schleswig-Holstein, PM vom 17.07.2020/ Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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