03.02.2021

Wahlfreiheit bei der Gesellschaftsform für Berufsausübungsgesellschaften

Die Bundesregierung hat am 20.01.2021 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe beschlossen.

ESRS: Delegierter Rechtsakt veröffentlicht

©Thomas Reimer/fotolia.com

Der Entwurf sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) und der Patentanwaltsordnung (PAO) vor. Ziel der Neuregelung ist es, der Anwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberaterinnen und Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern.

Anerkennung von Berufsausübungsgesellschaften als zentrale Organisationsform

Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Zukünftig soll daher Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung nicht mehr ausschließlich die einzelnen Berufsträgerinnen und -träger sein, sondern auch die Organisationseinheit, in der diese ihren Beruf ausüben. Über die Neuregelung des Gesellschaftsrechts hinaus modernisiert der Gesetzentwurf das Berufsrecht. Der Entwurf beinhaltet insbesondere die folgenden Regelungen:

Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit

Zukünftig sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, der Patentanwältinnen und Patentanwälte und der Steuerberaterinnen und Steuerberater alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen.

Berufsausübungsgesellschaften werden Träger von Berufspflichten

In Berufsausübungsgesellschaften hängt die Einhaltung der Berufspflichten durch die einzelnen Berufsträgerinnen und Berufsträger häufig auch von der Organisation der Berufsausübungsgesellschaft selbst ab. Daher ist es nicht sachgerecht, wenn nur die natürliche Person Adressat der Berufspflichten ist. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass alle Berufsausübungsgesellschaften selbst Träger von Berufspflichten werden.

Zulassungspflicht von Berufsausübungsgesellschaften

Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer beziehungsweise der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft ermöglicht den Kammern insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei interprofessionellen Gesellschaften eine Überprüfung, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Reine Personengesellschaften ohne Haftungsbeschränkung, denen nur Angehörige der rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufe angehören, sollen von der Zulassungspflicht jedoch ausgenommen werden.

Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur

Die bisherigen Mehrheitserfordernisse entfallen. Diese sind nicht erforderlich, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten erfolgt künftig dadurch, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliegt.

Erleichterung der interprofessionellen Zusammenarbeit bei Berufsausübungsgesellschaften

Die Möglichkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit soll für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und Steuerberater sowie Patentanwältinnen und Patentanwälte auf alle Freien Berufe ausgeweitet werden. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte soll beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen, mit einem Architekten oder einer Architektin zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich ist die Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieurinnen und Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau. Die interprofessionelle Zusammenarbeit stärkt daher die Spezialisierung von Anwaltskanzleien.

Gesetzliche Regelung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen

Bisher wurde das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO beziehungsweise § 39a Abs. 3 PAO alleine durch die Satzungsregelung in den jeweiligen Berufsordnungen ausgestaltet. Nunmehr sollen die Grundsätze der Interessenkollision angesichts der grundlegenden Bedeutung der Berufspflicht detailliert gesetzlich geregelt werden. Für eine gesetzliche Regelung spricht auch die tatsächliche Entwicklung des Anwaltsmarktes, auf dem Verbünde immer größer und komplexer werden.


(BMJV vom 20.01.2021 / Viola C. Didier, RES JURA Redaktionsbüro)

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